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Clik here to view.Der Berliner Künstler und Tänzer Cihangir Gümüstürkmen feiert in diesen Tage sein 25. Bühnenjubiläum in der ufaFabrik. Zu diesem Anlass stellte ich ihm ein paar Fragen zu seiner tänzerischen Karriere, der Orientalischen Tanzszene und zum Tanz selbst, die er uns freundlicherweise in diesem Interview beantwortet hat.
Hättest du jemals gedacht, dass du einmal dein 25-jähriges Bühnenjubiläum feiern würdest?
Nein, niemals, da ich nie vorhatte auf die Bühne zu gehen. Ich wurde auf die Bühne geschubst. Image may be NSFW.
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Was waren die Höhen und Tiefpunkte in den 25 Jahren?
Höhepunkte gab es in meinem beruflichen Leben viele, ist jetzt schwierig, dies genau zu beantworten. Am wichtigsten war wahrscheinlich meine Mitwirkung in dem Spielfilm “Lola & Billidikit“, zumindest was den internationalen Erfolg angeht.
Der Tiefpunkt in emotionaler Hinsicht war der Tod eines unserer Mitglieder vom Salon Oriental im Jahre 1999. Wir waren alle geschockt als wir erfuhren, dass unser Freund sich mit 21 Jahren das Leben nahm. Ich habe kurz danach Salon Oriental verlassen.
Wie hat alles angefangen?
Angefangen hat das eher nebenbei. Man hat in seiner Freizeit mal etwas mit Freunden gemacht. Natürlich ohne Bezahlung und nur zum Spaß. Meine erste Drag Queen-Nummer war aber gleichzeitig die erste für Gloria Viagra, also hat sie mit mir im Grunde auch Ihr 25-jähriges.
Wir waren zu dritt mit Gérôme Castell auf der Bühne und genau diese Performance wollen wir jetzt nach 25 Jahren wieder am 10. Mai bei der Jubiläumsshow vorführen. Ich bin gespannt (grins), ob wir irgendwo noch 60er-Jahre Fummel für uns finden.
Wenn du noch einmal am Anfang deiner Tanzkarriere stehen würdest, würdest du dann wieder alles genau so machen? Oder gibt es etwas, das du bereust?
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Clik here to view.Ich sehe mich nicht nur als Tänzer, da ich in vielen Bereichen tätig bin. Ich denke nicht daran, was ich früher hätte besser machen können. Ich denke, ich habe mein Bestes gegeben. Mich interessiert gestern nicht, mich interessiert jetzt.
Bereuen tue ich nichts. Denn auch die Fehler, die ich gemacht habe, waren am Ende zu meinem Besten. Nur daraus habe ich gelernt und nur so wurde ich stark. Fehler sind wie das Salz des Lebens und manchmal ist eben alles versalzen. Image may be NSFW.
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Inwiefern war die Situation für Bauchtänzer/innen damals anders als heute?
Es gab damals einfach wenig Bauchtänzerinnen oder gar Bauchtänzer. Ich kannte damals als Bauchtänzer nur den Önder, der 1988 starb und meinen lieben Freund Honka, der später mit mir als Fatma Souad Salon Oriental veranstaltete. Allgemein haben die Tänzerinnen sich damals dumm und dämlich verdient, weil es zu wenige gab.
Zu der Zeit gab es ja kein Internet, jetzt hat fast jede Orientalische Tänzerin eine Fanseite bei Facebook. Andy Warhol sagte einmal: „In der Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein.“ Es ist durch das Internet einfacher Aufmerksamkeit zu bekommen, aber die Tänzerinnen heute haben es viel schwerer, weil es einen Überfluss gibt. Heute ist jeder, der eine Webseite hat und bei einem Festival auf die Bühne geht gleich ein Star.
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Clik here to view.Ich muss immer schmunzeln und denke auch manchmal an den Spruch von einer Kollegin, die zu mir sagte: „Du bist jetzt ein Star.“ Ich glaube, ich habe sie angeschaut wie ein Auto. Ein Star ist für mich was ganz anderes, als das, was sich die orientalische Tanzszene unter einem Star vorstellt. Und da wir schon dabei sind, die Bellydance Superstars sind genau so gute Tänzerinnen wie die Europäerinnen. Das alles ist nichts anderes als eine gut organisierte Werbekampagne aus den USA.
Das benenne ich deswegen, weil es für viele Tanzschulen sehr schwer geworden ist zu überleben. Grund dafür auch, zu viele Lehrerinnen und zu wenig Schülerinnen. Deswegen meine Bitte an die Schülerinnen und Schüler: Unterstützt Dozenten, die in Deutschland leben und arbeiten!
Wie hast du es geschafft so viele Jahre erfolgreich zu sein?
Bin ich erfolgreich? Na wenn du das sagst, wird es ja so sein. Ich selber denke nicht über Erfolg nach. Ein Geheimnis habe ich nicht. Vielleicht dass ich das Kind in mir noch im Herzen trage und dass ich gute Freunde habe, die mich immer vorantreiben.
Wenn du es nicht als Erfolg ansiehst, wie würdest du dann dein 25-jähriges Bühnenleben beschreiben?
Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht erfolgreich bin. Ich finde es nur merkwürdig für mich zu sagen: „Ich bin erfolgreich.“ Das klingt so eingenommen. Eine Show, die ich gemacht habe, ist beispielsweise erfolgreich, aber ich beziehe nicht alles immer auf mich.
Eine Show hat mit vielen Menschen zu tun, nicht nur mit mir. Auch wenn ich eine gute Idee hatte, wie z. B. bei Salon Oriental, Café am Nil oder Salon Arabesk, bin ich ein Teil dessen und stelle mich nicht so gern in den Vordergrund. Künstler mit eher weniger Ideen haben mehr Erfolg, weil sie stärker an einer Sache festhalten. Ich glaube Künstler mit viel Kreativität tun das eher nicht.
Ich bin der Schmetterling, der eine Blume bestäubt und nicht die Blume. Ich bin der Vermittler, der Ideengeber, der Idealist – nicht derjenige, der sich auf irgendwelchen Erfolgserrungenschaften ausbreitet oder suhlt. Das interessiert mich nicht. Nur der kreative Prozess, bei dem ich was Lernen kann, etwas Verwirklichen, eine Idee Umsetzen – das ist es was mich reizt.
Mein Bühnenleben zu beschreiben würde für ein kurzes Interview zu lang werden, deswegen versuche ich es kurz zu fassen. Ich denke, wenn man eine Sache wirklich mit viel Leidenschaft macht, dann wird man auch früher oder später damit auch Erfolg haben.
Was machst du, wenn dir nichts einfällt? Ist das jemals vorgekommen?
Ich bin mit dem Universum in Kontakt und die Götter meinen es gut mit mir. Ich habe immer viele Ideen. Man kann Kreativität nicht erlernen und auch Talent muss einem gegeben sein.
Gab es Momente, in denen du kurz davor warst das Tanzen aufzugeben? Was hat dich dazu gebracht weiter zu machen?
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Clik here to view.Oh Gott, ja klar! Mein ganzes Leben lang frage ich mich fast jeden Tag, warum ich mir das antue: Lampenfieber, so viel Arbeit und vieles mehr. Am liebsten tanze ich für mich allein! 2012 wollte ich ganz mit Bauchtanz-Auftritten aufhören. Die Gründe dafür sind unter anderem die total verkitschte orientalische Tanzszene, unprofessionelles Arbeiten, zu viele Organisatoren oder Leute, die sich so nennen, honorarfreie Anfragen von Festivals, Überangebot an Unterricht usw.
Dazu kommt der Umgang miteinander, den ich bei vielen Künstlern sehr schlecht finde. Okay, wir Männer haben einen Männerbonus, den ich nicht unterschätzen will und für Frauen gibt es noch mehr Konkurrenz. Aber die meisten wissen nicht, dass ich auch meine Kollegen immer vermittelt habe. Ich habe sie niemals als Konkurrenz empfunden. Vielleicht liegt das daran, dass ich denke, jeder Mensch ist anders.
Ich glaube, die meisten Künstler leiden unter zu wenig Aufmerksamkeit und ich habe zunehmend das Gefühl, dass dies der einzige Grund ist, warum sie auf die Bühne gehen. Ich kenne wirklich Leute, die jede Anfrage annehmen, egal was sie für eine Bezahlung bekommen. Hauptsache, sie können auftreten. Ich habe inzwischen gehört, dass Tänzerinnen in den Restaurants für eine Mahlzeit auftreten. Da fragt man sich wirklich, wo sind wir bitte jetzt angekommen?
Was mich davon abhielt aufzuhören, war unter anderem, dass ich mein ganzes Leben lang immer schon für mich getanzt habe und mir ein Leben ohne Tanz nicht vorstellen kann. Ich glaube an das Gute im Menschen und sage mir immer wieder: „Kranke Menschen gibt es überall.“ Ein weiterer Grund sind meine Kollegen auf der ganzen Welt, die ich sehr schätze und aus denen inzwischen auch Freunde geworden sind.
Inwiefern hat sich der Tanz selbst in den 25 Jahren verändert? Wie bewertest du das?
Es hat sich sehr viel verändert. Es gibt jetzt mehr Angebote und unterschiedlichere Möglichkeiten als noch vor 25 Jahren. Der Tanz ist den Weg vom Ballroom Dance in Richtung Bühnenshow gegangen, die sich auch in anderen Genres wieder findet, wie z. B. “The Prince of the Dance” oder “The Sultans of the Dance” usw.
Der Tanz hat sich insofern verändert, dass ich das Gefühl habe, es geht nur noch um die Technik. Die Technik sollte im Hintergrund sein und nicht im Vordergrund. Damit meine ich nicht, dass die Technik unwichtig ist. Nur dass ich auf der Bühne nicht die Technik sehen will, sondern den Künstler. Und was er mir vermittelt, das sollte nicht nur Technik sein. Aber leider ist es sehr oft der Fall. Lehren und Workshops sind alles geworden, es gibt weniger Persönlichkeiten und Kreativität und leider viele Blender. Wir haben jetzt auch auf einmal nicht mehr Tanzschulen sondern Akademien. Da fragt man sich: „Ist das gut für uns?“
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Clik here to view.Ja, ich denke, es hat sich vieles verändert und ja, warum nicht, man kann auch eine Tanzschule einfach Akademie nennen. Hört sich doch professioneller an, oder? Ich glaube die meisten neuen Tänzer und Tänzerinnen machen so was wie “KNALL BUM BENG”, dafür gibt es ja auch das Facebook. Na, wenn wir keine Handys und Internet hätten, dann würden wir wahrscheinlich viel weniger Stars haben. Und ja, das stimmt ja auch, neue Medien, neue Stars, neue Tanzrichtungen usw. Wir gehen leider zu sehr auf das amerikanische Modell zu: “The winner takes it all.”
In Zukunft wird es noch viel schlimmer werden, mehr Konkurrenz und Wettbewerb, weniger Menschlichkeit und Miteinander. Das macht mich am meisten traurig und das ist der Grund, warum ich mich vom Geschäft zurückziehen möchte: Weil mich das eher erschreckt. Und ich verstehe auch die jungen Leute nicht – warum wollen sie heute noch eine Profi-Tänzerin sein? Es ist so hart davon zu leben. Das muss doch jeder inzwischen mitbekommen haben, oder?
Hast du (immer) dein Traumleben geführt? An welchen Stellen bist du Kompromisse eingegangen?
Ja das wäre schön. Gibt es ein Traumleben überhaupt? Man muss im Leben immer Kompromisse eingehen, ob in der Partnerschaft oder im Geschäft: Es geht stets darum, Andere zu respektieren, denn nur dann bekommst du auch deinen Respekt. Ich gehe leider zu viele Kompromisse ein, das ist auch nicht gut.
Worauf bist du am meisten stolz?
Weiß nicht. Worauf sollte ich denn stolz sein? Ich tu ja nur meine Arbeit.
Was erwartet uns bei deiner Jubiläumsshow?
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Clik here to view.Ein guter Mix! Es war schon immer mein Anliegen nicht nur eine Show für die orientalische Tanzszene zu machen, sondern für alle. Ich erhoffe mir, weniger Stress und mehr Spaß zu haben.
Ansonsten ist CIHANGIR & FRIENDS eine Show voller Tanz, Theater und Comedy. Ich feiere diesen Abend auf der Bühne mit Gérôme Castell, Tilly Creutzfeldt-Jakob, Suzan Demircan, Laila El-Jarad, Aliya Ilayda, Ofra Moustakis, Antonio Rodriguez, Sylka Rubina, Shalymar, Gloria Viagra, Sabina Zaida und natürlich mit meinem Publikum.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass ich nur noch positive und kreative Menschen kennen lerne. Die Menschen sollten verstehen, dass der Tanz wichtiger ist als die Person und sie sollten sich der Verantwortung dessen mehr bewusst sein. Ich stimme voll und ganz mit der Aussage meiner Kollegin Nesrin Topkapı überein. Sie hat einmal zu mir gesagt: „Der Tanz ist für mich heilig.“
Ich bedanke mich von ganzem Herzen für das schöne Interview und wünsche das Beste zum Jubiläum und für die Feier am 10. Mai!
Karten für CIHANGIR & FRIENDS bekommt ihr bei der ufaFabrik:
Telefonisch unter 030 – 755 03 – 0
Im Online Kartenkauf
Oder via E-Mail: vorbestellung[at]ufafabrik.de